
Gefahrvolle Pediküre
Frisch geliefert wurde grad ein neues Hilfsmittel für eine pferdefreundliche Hufbearbeitung, das schon lange auf meiner Einkaufsliste stand: ein gut durchdachtes Haltesystem für den Pferdehuf, landläufig auch Hufbock genannt.
Nun ist der Hoofjack kein Hufbock wie jeder andere. Aus gutem Grund. In dem Paket war neben dem stabilen Bearbeitungsfuß und zwei verschiedenen Hufauflagen auch ein interessantes Infovideo des Entwicklers Kevin Keeler, Hufschmied aus Leidenschaft, über die tragischen Hintergründe, die zu seiner Erfindung geführt haben, und die richtige Benutzung seines Haltesystems.
Bemerkenswert fand ich dabei den folgenden Satz (O-Ton):

I was remembering farrier school. In the first ten minutes my instructor said,
‚Make the horse comfortable, or you’ll never be comfortable‘.Frei übersetzt: „Sieh zu, dass sich das Pferd wohlfühlt, oder du wirst nie Freude an deinem Beruf haben.“
Kevin Keeler, Entwickler des Hoofjack Haltesystems
Im Weiteren spricht Kevin eindringlich darüber, welch großen Einfluss eine pferdefreundliche Technik allein schon beim Aufnehmen eines Hufs hat, und besonders auch beim Halten des Beins.
Vielen Menschen, so seine Beobachtung, fiele es nicht auf, wie weit sie das Pferdebein nach außen und oben ziehen, aus der Körperachse des Pferdes heraus, und das Tier dadurch in eine schwierige Lage bringen.
Sie machen es dem Pferd sehr schwer, das Gleichgewicht zu halten, und „verbiegen“ die Gelenke bis hinauf in Schulter und Hüfte, was im leichtesten Fall nur unangenehm ist, aber je nach Fitness- und Gesundheitszustand des Tieres auch schmerzhaft werden kann.

Es sei also kein Wunder, so Keeler, dass die Pferde anfangen zu zappeln. Und sein dringender Rat ist, das Pferd gut zu beobachten, ob es die Manipulationen an seinem Bein noch gut mitmachen kann.
Damit stehen wir aus einer Unachtsamkeit heraus am Beginn einer Abwärtsspirale, die, je nach Pferdenaturell, über beliebig viele Zwischenstufen bei einer Sedierung zur Hufbearbeitung oder gar der vollständigen Verweigerung einer Pediküre durch Steigen, Ausschlagen oder Flucht enden kann.
Es gibt unzählige weitere Gründe, die dazu führen können, dass ein Pferd bei der Hufbearbeitung nicht still steht. Dabei ist das so wichtig für die Gesundheit aller Beteiligten, des Hufschmieds/Hufbearbeiters, des Pferdes und schlimmstenfalls aller Umstehenden. Für Kevin Keeler endete eine solche Szene in einem schweren Arbeitsunfall, der seine Laufbahn als Hufschmied zu beenden drohte, noch bevor sie richtig angefangen hatte. Seine Lösung des Problems hat drei Komponenten: Ein besonders achtsamer Umgang mit dem Pferd, mit sich selbst und eine rundum sichere und bequeme Hufauflage, um Rücken und Knochen zu schonen.
Noch mächtiger ist das „Hilfsmittel“ Medical Training, in dem das Pferd lernt, still zu stehen und sich die Hufe hübsch machen zu lassen.
Auch Islandstute Dísa hatte lange Zeit große Probleme bei der Hufbearbeitung. Als ich sie kennenlernte, wurde sie zur Hufbearbeitung mit dem Kopf direkt an der Wand festgebunden. Während der gesamten Bearbeitungsdauer hing sie stramm im Halfter, oftmals mit verdrehten Beinen und ohne die Möglichkeit, ihren Stand zu korrigieren, um das Gleichgewicht zurück zu gewinnen. Ihr Gesichtsausdruck sprach Bände.
Wie die Bilder zeigen, läuft eine Hufbearbeitung heute bei uns anders ab. Freistehend. Ganz entspannt. Halfter und Strick brauchen wir nur noch aus versicherungsrechtlichen Gründen, wenn unsere Hufzauberin kommt. Für den Ablauf sind sie überflüssig.

Auch meine liebe Kollegin Sarah Pöthig hat jüngst einem Pferd-Mensch-Team mit durchdachtem, pferdeorientiertem Medical Training aus dieser Spirale herausgeholfen. Wie machtvoll so ein Training sein kann, zeigt sie euch in ihren Blog-Beiträgen zu dem Thema. Es lohnt sich, auf ihrer Seite zu stöbern.