Markertraining – dein Trainings-Plus für Pferd und Mensch
Ein leises Pferde-"Nein"

Wie lange dauert Medical Training?

Samstag Mittag klingelt das Telefon. „Mein Pferd lässt sich nicht spritzen, und nächsten Mittwoch haben wir einen Tierarzttermin. Können Sie kurzfristig kommen?“

Dann stecke ich häufig in der Zwickmühle. Warum? Weil Medical Training in den meisten Fällen etwas speziell ist, kein „normales“ Clickertraining. Nämlich immer dann, wenn das Pferd bereits schlechte Erfahrungen gemacht hat und deshalb mit einem so genannten Meideverhalten reagiert. Es hat gelernt zu zappeln, zu tänzeln, zu beißen, zu treten oder gar zu steigen, um sich den Tierarzt vom Leib zu halten. Und Meideverhalten, aka Vermeidungsverhalten, hat es in sich.

Meideverhalten dient, wie der Name schon sagt, einem Lebewesen dazu, als schlimm/schmerzhaft/bedrohlich empfundene Situationen zu vermeiden. Das gilt in der Tierwelt als wichtige Überlebensstrategie. Andernfalls wären unsere Pferde schon vor vielen Äonen ausgestorben.

Dazu heißt es in einem der Standardwerke zur Lern- und Verhaltenstheorie:

„Tatsächlich ist eines der bemerkenswertesten Merkmale von Vermeidungsverhalten seine extreme Löschungsresistenz.“

J. Masur „Lernen und Verhalten“ 6. Auflage 2006, S.261

Weiter wird sinngemäß ausgeführt, dass Tiere ihre Vermeidungsreaktion über mehrere hundert Trainingsdurchgänge beibehielten, obwohl der unangenehme Reiz gar nicht mehr auftrat.

Habe ich also gelernt, eine gefährliche Situation zu umgehen, behalte ich dieses Verhalten zu meiner eigenen Sicherheit sehr, sehr lange bei. So auch unsere Pferde.

Für die Praxis im Medical Training kann das bedeuten, dass ich mehrere hundert Mal entspanntes Stillhalten bei unterschwelligen Reizen clicken muss, bevor mein Pferd – salopp gesagt – überhaupt anfängt darüber nachzudenken, den ursprünglichen Reiz auszuhalten. Ein paar hundert Durchgänge. Unter optimalen Bedingungen bei  fehlerfreiem Training. Sowie ich mich bei einem Durchgang in der Reizintensität nach oben verschätze, kommen schnell mal ein paar weitere zig Durchgänge dazu.

Rein rechnerisch ist es natürlich möglich, ein paar hundert Trainingsdurchgänge in den Tagen von Samstag bis Mittwoch unterzubringen. Doch kann man sich leicht vorstellen, dass diese Rechnung nur in absoluten Ausnahmefällen aufgeht.

Daher ein Appell, rechtzeitig mit dem Training zu beginnen.

Und ein Tipp, unangenehme Elemente aus der Gesundheitspflege in die tägliche Routine einzubinden und zum festen Teil des Tagesablaufs zu machen, ähnlich wie das Hufe auskratzen und die Fellpflege. Mit fünf Minuten täglich erreicht man in vielen Fällen mehr als in drei Mammut-Einheiten um „viertel vor zwölf“.

Eine ganz andere Frage ist, wie gut ich in der Lage bin, Meideverhalten und dessen Ankündiger rechtzeitig zu erkennen. Es beginnt mit einem ganz leisen Pferde-„Nein“ und kann sich steigern bis zu einem Punkt, an dem es für alle Beteiligten rundheraus gefährlich wird. Hören wir unseren Pferden lieber gut und achtsam zu.

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